Versatile Photography à Viennes

Eine Kooperationsausstellung mit Jeune Création, Paris / Teil II

BRIGITTE KONYEN (AT), CLAUDIA LARCHER (AT), KLAUS PAMMINGER (AT),
TIMOTHÉE SCHELSTRAETE (FR), BEATRIZ TOLEDO (FR)

Eröffnung: Montag, 13. März um 19.00 Uhr

Einführende Worte: Julian Tapprich und Margaret Dearing

Ausstellungsdauer: 14. März – 15. April 2017

Sponsored by: BKA–Sektion II; MA7-Kultur; Cyberlab; Österreichisches Kulturforum, Paris; Institut Français Autriche, Wien

Zwei KünstlerInnenkollektive, die Association Jeune Création in Paris und die FOTOGALERIE WIEN, beides Institutionen, die seit Jahrzehnten im Bereich der Förderung und Entwicklung zeitgenössischer Kunst tätig sind, haben ein gemeinsames Ausstellungsprojekt im Spannungsfeld von Fotografie und anderen Medien entwickelt. Die Ausstellung, die Anfang November 2016 in der Galerie Jeune Création in Paris gezeigt wurde, wird nun in erweiterter Form in der FOTOGALERIE WIEN präsentiert – Projektleitung: Michael Michlmayr, Julian Tapprich (FOTOGALERIE WIEN), Margaret Dearing und Edwin Fauthoux-Kresser (Jeune Création).

Das Ausstellungsprojekt lädt dazu ein, anhand der Arbeiten von fünf in Paris und Wien lebenden KünstlerInnen zu entdecken, wie die Fotografie die durchlässigen Grenzen der einzelnen Medien durchdringt und Teil des Arbeitsmaterials wird. Zeichnung, Video und Skulptur scheinen hier vom fotografischen Bild durchdrungen – sowohl was die Materialität als auch was den Arbeitsprozess und ideellen Hintergrund betrifft. Für diese fragmentarischen Neuanordnungen schöpfen die KünstlerInnen aus der fotografischen Ikonografie – sei es durch archaische Flechtarbeit, durch Videoanimation, Intarsienarbeit, durch das Überführen des flachen Abzugs in die Dreidimensionalität oder durch die Reproduktion mit Kohlestift. Für jeden von ihnen scheint es eine Herausforderung zu sein, neue Räume zu schaffen, die es ermöglichen, die Verbindung von heterogenem und unterschiedlichem Bildmaterial sichtbar zu machen. Das Auge stößt sich aber immer wieder an diesen eigenartigen Zusammenfügungen. Überall bleiben die Einschnitte in das Bild sichtbar, und es wird rasch klar, dass die visuelle Synthese lediglich eine Fiktion ist, eine Utopie. Jeder Bruch im Material oder in der Perspektive führt uns das Irritierende an diesem Versuch der Vermischung umso mehr vor Augen und offenbart die Grenzen, ein einheitliches Ganzes zu schaffen. In diesen unterschiedlichen künstlerischen Ansätzen, in denen die Fotografie immer wieder durchscheint, werden bestimmte Charakteristika des Mediums hinterfragt: das Unbewegte, der starre Blickwinkel, die Flachheit, die Begrenzung des Bildes. Dies führt zu Fragestellungen, die über die Fotografie hinausgehen. Wie hält man zusammen, was uns das Bild in Einzelteilen liefert? Wie stellt man sich der Herausforderung einer Defragmentierung der Welt?

Brigitte Konyen zeigt unter anderem die Fotoflechtarbeit Geschenkbild (Me, Myself and Them). Es handelt sich um ein Selbstporträt, wobei das erste Foto, das Konyen als kleines Mädchen 1971 von ihrer Mutter machte, als thematische Klammer dient. Damals bekam man zum bestellten Abzug ein zusätzliches kleines Bildchen – das sogenannte „Geschenkbild“ – und diese Verdoppelung, dieses Nebeneinander von Groß und Klein übte immer einen Reiz auf die Künstlerin aus. Für ihre Fotoflechtbilder ist die Fotografie Ausgangspunkt und Arbeitsmaterial. Persönliche Fotos, aber auch abfotografierte Zeichnungen und Texte werden im Vorgang des Flechtens zu Kunstmaterie verarbeitet. Wie kleine Erinnerungsversatzstücke erscheinen im Raster der Bildfläche Momentaufnahmen aus dem Leben von Konyen. Durch die zwei miteinander verflochtenen Ebenen überschneiden sich die Bilder: Einzelheiten treten hervor und zeigen in der abstrakten Struktur eine uns bekannte fotografische Wirklichkeit, anderes wiederum wird verdeckt und den Assoziationen der Betrachtenden überlassen. Zeit und Ort haben sich in einer selbstgemachten Anordnung aufgelöst. Generell können ihre Fotoflechtbilder als ein Statement zur Lesbarkeit von Fotografie und zur Frage, wie sich Erinnerungen konstituieren, gesehen werden.
In Claudia Larchers Arbeit Heim, eine der Videoarbeiten, die sie in der Ausstellung zeigt, wird ein Haus besichtigt, vom Dachboden bis zum Keller: Adventskranz, Ledergarnitur, Kronleuchter, bedruckte Vorhänge, ein Rasenmäher, der am Fenster vorbeirattert, Bohrmaschine, Schraubenzieher – das ganze Reservoir einer kleinbürgerlichen Provinzidylle, in eisiger Menschenleere abgebildet und ausgeleuchtet. Bei der Arbeit handelt es sich um eine Videoanimation, die aus Fotos und Laufbildern zu einem scheinbar unendlichen Panoramaschwenk montiert und mit einer unbehaglich dröhnenden Tonspur unterlegt wurde. Sie fördert das Unheimliche im Alltäglichen zutage. Die Banalität eines Bösen, das sich, jenseits von Sinn und Ratio, in Chiffren und Andeutungen an der Peripherie der Wahrnehmung manifestiert und ein Gefühl von transzendentaler Obdachlosigkeit vermittelt. Räume sind perspektivisch verschoben und bizarr ineinander montiert. Zeitabläufe täuschen eine Chronologie vor und sind doch nur Momentaufnahmen, Erlebnisblitze ohne kausalen Zusammenhang. (Thomas Mießgang)

In der Fotocollage The Great Train Robbery – A Little Journey Through Film History von Klaus Pamminger werden Fragmente aus Genrefilmen quer durch das 20. Jahrhundert verwendet; diese formieren das Eisenbahn-Telegrafenamt aus der ersten Szene von Edwin S. Porters Western „The Great Train Robbery“, einem der ersten Filme der frühen Geschichte des Kinos, wenn nicht überhaupt der erste „richtige“ Film. Was Edwin S. Porter 1903 entwickelte, ist in allen folgenden Spielfilmen wiederzufinden. In Pammingers Arbeit drehen sich, einer Zeitspirale folgend, Flemings „Gone with the Wind“ über Hitchcock, Buñuel, Kubrick u. a. bis hin zu Tarantino/Stones „Natural born Killers“ durch den Raum. Was Pamminger bei jenen intarsienartigen Fotoarbeiten, neben der grundsätzlichen Beschäftigung mit Raum und dessen Wahrnehmung in unterschiedlichem Kontext, stets begeistert, ist, dass er im Herstellungsprozess nahezu frei, wie in der Malerei, ein Bild komponieren kann. Farbauftrag und Pinselstrich bestimmen jedoch nur mehr das Auge, das den jeweiligen Ausschnitt wählt (hier aus Filmkadern, die möglichst nicht weiter manipuliert wurden). Räumlich-zeitliche, aber auch inhaltliche Bezugsebenen sind gleichermaßen bedacht, und es entstehen Bilder, die im Wechselspiel über den „Raumrand“ hinausblicken lassen und gleich mehrere Geschichten erzählen.

Timothée Schelstraete zeigt Kohlezeichnungen und Malerei, die auf von ihm gesammelten Fotografien basieren – schnell geschossene Aufnahmen, Fotos, die er im Internet, in Büchern oder Alben gefunden hat, Filmausschnitte… Sie spiegeln das direkte oder indirekte fragmentarische Verhältnis, das er zu seiner Umwelt unterhält, wider und resultieren aus einer Art permanent schwebender Aufmerksamkeit. Ein Thema taucht auf, das Bild zieht seine Aufmerksamkeit auf sich, hypnotisiert ihn, um ihn dann an ein anderes weiterzuleiten. Formale oder semantische Assoziationen bestimmen die Arbeit, als wenn das zu lange, grundlose Verharren bei einer Sache diese mit Sinn aufgeladen hätte – auch wenn er nichts anderes als einen Köder auswerfen wollte. Indem er Fragmente der Welt, die er einfängt und erschafft, willkürlich miteinander verknüpft, erhält er eine Art Atlas, eine Konstellation von Motiven, welche einer willkürlichen Logik folgen.

Beatriz Toledo hat eine künstlerische Arbeitsweise entwickelt, die dem fotografischen Bild eine erweiterte Bedeutung zumisst und es in größere Zusammenhänge stellt (Fotografie auf Tapete in Holzkonstruktion). Geht man von der Fotografie als Mittel für die Erhebung und Aufzeichnung der Realität aus, so bringt Toledo hier auch Skulptur und Installation ins Spiel, indem sie die Grenzen zwischen räumlichen Parametern wie Fläche und Volumen auslotet. In ihrem täglichen Umfeld findet die Künstlerin den Ausgangspunkt zu ihrer Arbeit (Atelieransichten, Presseausschnitte, gefundene Objekte,…): Die Bilder werden dekonstruiert und im Raum neu konfiguriert. In dieser systematischen Arbeit, die den Status der Fotografie und deren Integrität untergräbt, zeigt die Künstlerin neue Geschichten und Möglichkeiten der Interpretation. Daraus ergeben sich die Installationen, die mit Überschneidung, Verstörung und Täuschung spielen und sich dabei direkt mit Fragen in Zusammenhang mit der Materialität der Bilder auseinandersetzen. (Yannick Langlois)

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